Ich hatte gerade die inspirierendste Bahnfahrt meines Lebens. Und ich möchte euch kurz davon erzählen. Auf der Fahrt von Hamburg nach Zwickau zu meinen Eltern hatte ich mir einen Sitzplatz reserviert, damit ich nicht unbedingt stehen muss in den vollen Zügen. Dieser Sitzplatz stellte sich indirekt als Beginn einer sehr spannenden Reise heraus.
Einmal auf meinem Platz habe ich sofort meinen Rechner aufgeklappt um an meinem Reiseartikel weiter zu schreiben, den ich unbedingt fertig machen wollte. Fremde Menschen anzusprechen fällt mir immer wieder extrem schwer. Ich bin einfach zu schüchtern um auf andere Menschen zuzugehen. Auf diesen Rechner wurde ich angesprochen. Das sei, wie die Zeitung früher, etwas, um sich dahinter zu verstecken, um nicht mit den anderen Menschen reden zu müssen. Sebastian, wie er sich später vorstellte, hatte Recht damit. Durch den Laptop habe ich für mich die Legitimation geschaffen, nicht mit den anderen Mitfahrern zu sprechen.
Erkenntnis Nummer eins, meine Zeitung zum Verstecken ist der Laptop.
Sebastian schlug vor, dass sich jeder kurz vorstellt. Der Name reicht. Er meinte, damit fällt eine wichtige Barriere und man wird sich sympathisch und kommt sich näher. Früher hätten die Menschen das immer getan, aber es wäre heute eine vergessene Sache. Also stellten wir uns kurz vor. Und tatsächlich wurde das Gespräch danach wesentlich intensiver. Im Grunde ist mir die „Methode“ sogar vertraut, ich nutze sie sehr gern bei Workshops und Schulungen, nur im „echten Leben“ nicht.
Erkenntnis Nummer zwei: Kurzes Vorstellen beflügelt jedes Gespräch.
Die anderen Mitreisenden waren Helga, eine Frau in den 60ern denke ich und Marco, ein 25 jähriger Schmied, der auf der Walz war. Es entwickelte sich zunächst ein Gespräch zwischen Sebastian und Marco über die Walz, den Lebensstil und die Erlebnisse. Es ging hin und her und ich hört mit einem Ohr zu und schmunzelte hin und wieder. Sehr spannend diese Walz. Das Konzept kannte ich schon.
Was mir aber diesmal aufgefallen war, dass Handwerker, die auf diese Reise gehen, nichts anderes tun, als wir mit unserer Reise. Auch wenn die Reise oft ein Ende findet, nach frühestens 3 Jahren, ist es eine wichtige Zeit. „Eingeführt“ wurde diese Reise nach der Lehre schon vor ca. 1.000 Jahren. Es erweitert den eigenen Horizont so ungemein. Man lernt so vieles dabei.
Erkenntnis Nummer drei: Reisen entwickelt dich weiter.
Schließlich hatte ich mich entschieden, den Laptop zuzuklappen und aktiver am Gespräch teilzunehmen. Es ging um verschiedene Themen. Alltägliches, banales, aber auch grundlegende Themen zu Lebensart und -einstellung. Wir lachten und das herzlich. Mein Leitspruch – „Es ist alles im Leben zu etwas gut“ – stieß bei Helga auf Ablehnung. Auch die Ergänzung – „Manchmal erschließt sich der Sinn erst viel später“ – änderte nichts daran. Danach fing sie an zu weinen. Sie hatte einen Sohn und ihren Ehemann verloren. Das war also der Grund. Und für sie hatten diese Ergebnisse keinen erkennbaren Sinn. Ich dachte über meinen Leitspruch nach. Er ist nicht grundlegend falsch. Aber manchmal erkennt man den Sinn einfach nicht. Das verstand ich. Das Leben wirft uns immer wieder Steine in den Weg und wir verlieren uns wichtige Menschen im Leben. Das gehört leider zum Leben dazu. Das Leben ist danach nicht mehr so schön wie vorher.
Sebastian lies uns aus dem Fenster schauen. Das Grün der Wiesen, das Gelb der Rapsfelder, das Blau des Himmels. Alles wunderschön. Helga meinte, für sie ist der Himmel nicht mehr so blau, das Gras nicht mehr so grün. Dafür hatten wir Verständnis. Helga meinte, sie hätte heute das erste Mal seit langem wieder gelacht.
Erkenntnis Nummer vier: Nicht immer hat alles einen Sinn. Aber wir entscheiden, wie wir damit umgehen.
Nach kurzer Überlegung beschloss ich, Marco (den Schmied auf der Walz) nach Dänemark einzuladen. In wenigen Tagen bin ich da mit 30 anderen Onlinemarketing-Menschen und wir verbringen eine knappe Woche mit Gedanken- und Erfahrungsaustausch, vielen Gesprächen, Ideen und Impulsen. Menschen, die aus der offline Welt kommen, helfen uns dabei, raus aus unserer Welt oder unserer Blase zu kommen und die Gedanken zu erweitern und über den Tellerrand zu schauen. Ich bin gespannt, ob Marco mitkommt.
Die Fahrt neigte sich dem Ende, unser aller Zwischenziel Leipzig war erreicht. Wir verabschiedeten uns und ich sagte, bis zum nächsten Mal. Denn man trifft sich ja immer zweimal im Leben. Helga traf ich 10 Minuten später am anderen Bahnsteig wieder, sie fuhr noch kurz mit dem gleichen Zug wie ich weiter. Ich bin gespannt, wo ich die anderen beide noch einmal treffe.
Unser Leben verläuft extrem schnell. „Die Zeit rennt“ ist ein gern genutzter Satz. Nicht nur die Menschen auf Konferenzen und Events können uns inspirieren. Jeder Mensch gibt uns Impulse mit. Ich muss nur offen dafür sein und sie erkennen.
Erkenntnis Nummer fünf: Ich buche nur noch einen Platz in einem vierer Sitz in der Bahn.
Ich habe diese Geschichte einfach mal aufgeschrieben. Ob sie dich auch so inspiriert wie mich, weiß ich nicht. Du entscheidest es für dich selbst.
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